Exkommunikation bei Abtreibung
Frage:
Ab wann ist man bei Vornahme einer Abtreibung automatisch exkommuniziert ?

Antwort:

Im Kirchenrecht unterscheidet man zwei Arten der Strafverhängung: Eine Strafe kann entweder gerichtlich bzw. über den Verwaltungsweg erklärt und auferlegt werden oder von selbst, das heißt von Rechts wegen eintreten. Erste nennt man Spruchstrafe ( poena ferendae sententiae ), letztere Tatstrafe ( poena latae sententiae ). Diese wird so angedroht, daß sie mit der Begehung der Straftat eintritt. Der Täter spricht also mit Begehung der Tat sein eigenes Urteil. Die kirchliche Gemeinschaft weiß unter Umständen noch nicht, daß durch ihn eine Straftat verübt worden ist. Dennoch ist der Täter in seinem Gewissen ( forum internum = innere Gewissensbereich) verplichtet, die Wirkungen der Strafe an sich selbst zu vollziehen. Der Eintritt der Strafe kann aber im nachhinein noch von der zuständigen kirchlichen Autorität im äußeren Rechtsbereich ( forum externum ) festgestellt werden.

Ist jemand von Rechts wegen exkommuniziert, dann ist er mit Vollendung der Straftat aus der Kirche ausgeschlossen. Welche Rechtsfolgen hat das? Der Betroffene darf nicht mehr aktiv teilnehmen an der Feier der Eucharistie und anderen gottesdienstlichen Feiern. Er darf keine Sakramente und Sakramentalien spenden bzw. empfangen. Die Ausübung von kirchlichen Ämtern ist ihm untersagt (vgl. Can. 1331 §1). Wenn die Exkommunikation verhängt oder festgestellt worden ist, also im forum externum (äußerer Rechtsbereich) bekannt ist, dann ist auch die Straftat bekannt. Dies hat weitere, für den Täter erschwerende Rechtsfolgen. In diesem Falle muß der Täter nämlich von liturgischen Handlungen ferngehalten werden. Ihm ist der Gebrauch von voher gewährten Privilegien untersagt. Er ist zudem unfähig, Ämter, Würden und andere Dienste in der Kirche (bei Laien etwa die Dienste des Meßdieners, Lektors, Akolyten, des außerordentlichen Kommunionspenders, des Kantors, Organisten, Kirchenvorstandmitglieds oder der Pfarrsekretärin etc.) zu erlangen (vgl. can. 1331 §2).

Die Exkommunikation als Tatstrafe, d.h. die durch Begehung der Straftat von selbst bzw. von Rechts wegen eintretende Strafe, wird in folgenden sieben Fällen im Kirchlichen Gesetzbuch (CIC/1983) angedroht:

– Apostasie, Häresie und Schisma (can. 1364)
– Verunehrung der heiligen (konsekrierten) Gestalten (can. 1367)
– Gewalt gegen den Papst (can. 1370 §1)
– Absolution des Mitschuldigen an einer Sünde gegen das sechste Gebot, die zwischen dem Beichtvater und dem Pönitenten begangen worden ist (sog. Absolutio complicis : can. 1378)
– Bischofsweihe ohne päpstliches Mandat (can. 1382)
– Verletzung des Beichtgeheimnisses (can. 1388)
– mit Erfolg durchgeführte Abtreibung (can. 1398).

Die Kirche schützt das ungeborene Leben auch dadurch, daß sie Abtreibung mit der Exkommunikation bestraft. Diese tritt automatisch, also durch die beabsichtigte und mit Erfolg durchgeführte Abtreibung, ein. Die Tat gilt dabei als vollendet, wenn die bestehende Schwangerschaft beendet worden ist. Damit kommt aber schon eine strafrechtliche Einschränkung ins Spiel: Nur die Vollendung des Abbruchs, nicht der Versuch einer Abtreibung führt zur Exkommunikation. Auch muß ein Vorsatz vorhanden sein, eine Abtreibung vorzunehmen. Wenn die Abtreibung nicht direkt gewollt ist, sondern bloß zugelassen wird, tritt die Exkommunikation nicht ein (vgl. oben das über die materielle Mitwirkung Gesagte) “Der Vorsatz sieht die Kenntnis der Schwangerschaft voraus. Wer also” z.B. “durch die Einnahme von Medikamenten, die eine Schwangerschaft beenden können, tatsächlich eine Abtreibung bewirkt, aber nicht wußte, daß überhaupt eine Schwangerschaft bestand, handelt ohne Vorsatz” (Klaus LÜDICKE, Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, 1398/4).

Ebenfalls tritt die Exkommunikation nicht von selbst ein, wenn der Täter zwar die Abtreibung wollte, aber schuldlos nicht weiß, daß es sich um eine verbotene Tat handelt. K. Lüdicke kommentiert hierzu: “Es ist besonders zu bedenken, daß das Wissen um die Strafbarkeit zur Zeit der Tat vorliegen muß. Wenn also ein Beichtvater dem Täter im Beichtstuhl erstmals zur Kenntnis bringt, daß die Abtreibung eine Straftat kirchlichen Rechtes ist, wird dadurch der Strafminderungsgrund ... nicht aufgehoben: Eine Tatstrafe hat sich der Täter nicht zugezogen ... “ (Münsterischer Kommentar, 1398/4).

Ein wichtiger Strafausschlußgrund ist die schwere Furcht beim Täter. Wenn die Mutter z.B. aus schwerer seelischer Not oder drohendem Nachteil gehandelt hat, ist sie nicht exkommuniziert. Die Exkommunikation als Tatstrafe tritt nicht ein. Sollte sie im nachhinein auferlegt werden (sog. Spruchstafe bzw. poena ferendae sententiae ), dann muß der Richter oder die entsprechende kirchliche Verwaltungsinstanz nachprüfen, ob die Frau unter starkem psychischen Druck gestanden hat. In den meisten Fälle dürfte das der Fall sein. Jeder Fall muß aber einzeln geprüft werden. Wenn feststeht, daß die Frau oder der/die Mittäter unter Furcht gehandelt hat bzw. haben, dann kann keine Exkommunikation ausgesprochen werden.

Ebensowenig trifft eine Exkommunikation bei einer Minderjährigen ein, die eine Abtreibung hat vornehmen lassen, sofern sie das 16. Lebenjahr noch nicht vollendet hat. Dasselbe gilt für eine Person, die mit physischer Gewalt zu einer Abtreibung gezwungen worden ist, unabhängig von ihrem Alter. Ferner wird trotz durchgeführter Abtreibung nicht exkommuniziert, wer “aus dem Sturm einer Leidenschaft” ( ex gravi passionis aestu : vgl. can. 1324 §1, Nr. 3) gehandelt hat, oder wer die Abtreibung “ohne volle Vorwerfbarkeit” ( sine plena imputabilitate ) hat durchführen lassen (can. 1324 §1, Nr. 10).

Liegt also eine der genannten Sachverhalte vor, ist die betreffende Person nicht automatisch exkommuniziert (Tatstrafe – poena latae sententiae ) bzw. sie kann nicht nachträglich durch richterliches Urteil oder verwaltungsmäßige Verfügung exkommuniziert werden (Spruchstrafe – poena ferendae sententiae ).

Man kann sich fragen, ob angesichts der psychischen Notlage, in der zahllose Frauen eine Abtreibung vornehmen lassen, eine Exkommunikation vorliegt. Das muß im konkreten Fall immer nachgeprüft werden.

Gero P. Weishaupt

Quelle Internet-Link ==> http://www.gero-p-weishaupt.com/

(LWT)